Der FCB der damaligen Zeit gewann zwar längst nicht immer. Aber er wusste auch damals schon eine verschworene Anhängerschaft hinter sich. André Sitek bestätigt dies: „Gegen Luzern und GC war jeweils das ganze Stadion in blau und rot. Das war Leidenschaft pur, es war unglaublich“. Nur zu gerne wäre André Sitek auch einmal in einem „Endclassificatie“ (Schlussklassement) ganz oben gestanden oder zu einem „beslissende Wedstrijd“ (Entscheidungsspiel) angetreten. Er hätte auch mit aller Macht der Parole „Hup Basel Hup, we winnen de Cup“ (Hopp Basel Hopp, wir holen den Cup) nachleben wollen. Aber diese Krönung seiner Karriere blieb ihm versagt. Immerhin: Kaiser Sitek – so wurde er von gewissen Anhängern ehrfurchtsvoll genannt – war „De beste Doelschutter“ (Der beste Torschütze) der Rotblauen. Als solcher war er in Basel fast berühmter als ein Regierungsrat. Der 1.90 Meter grosse Stürmerstar stellte die gegnerischen „Keeper“ (Torhüter) dank seiner Durchschlagskraft, seinen wuchtigen Schüssen und seiner intuitiven Art heisse Situationen im „Strafschopgebied“ (Strafraum) vorauszuahnen, vor arge Probleme. Die „Verdediger“ (Verteidiger) der Gegnermannschaften wussten: Sitek ist stark. Aber sie konnten ihn dennoch nicht am Torschuss oder am Kopfball hindern.
Feiern, jubeln, fröhlich sein
André Sitek pflegte seine Torerfolge ausgiebig zu zelebrieren. Im Jubeln und im Feiern war er ganz sich selbst. Zeit seiner Karriere war er auch immer als Bruder Lustig bekannt. Ein Beispiel möge dies verdeutlichen: An einem Stadtfest trat er einmal zusammen mit Teamkamerad Dirk Lellek in einem Festzelt bei der Kaserne zum Star-Talk an. Vom Moderator gefragt, was er denn von der kommenden Saison erwarte, lachte er: „Ich will stark spielen – und dann schauen, dass ich bei Präsident Epting einen möglichst guten, neuen Vertrag herausschleppen kann.“ Privat zog der umworbene Fussballheld in seinen aktiven FCB-Zeiten gerne zu nachtschlafener Zeit um die Häuser. Es ist verbürgt, dass er des öfteren in froher Runde dem Motto „Bier, Weib und Gesang“ gehuldigt hat. Die Bodega war nur eines von verschiedenen Lieblingslokalen von ihm. Doch eines Tages begannen sich die Zeichen zu mehren, dass Sitek gehen musste. Niemand mochte es richtig zu deuten, aber irgendwie hatte der flotte Lebenswandel auch auf die fussballerischen Leistungen niedergeschlagen. Sei dem wie es sei. Tatsache ist: Den einst strahlenden Helden erlebten Beobachter jetzt als zunehmend ernst und traurig. Es wurde still um ihn. Wenig später musste er seine Koffer packen. Der FC Locarno war dann seine letzte Station in unserem Land.
Schwierige Zeiten in Holland
Nach seiner Rückkehr in die alte Heimat kam auf den einst Umjubelten einige zusätzliche Unbill zu. Auf die genauen Umstände dieser Probleme möchte der sympathische FCBler heute nicht mehr gross eingehen, was sein gutes Recht ist. Er gibt aber zu, dass es zwei Jahre lang für ihn ziemliche Schwierigkeiten gab. Schwierigkeiten, die er heute zum Glück erfolgreich bewältigt hat. Seit einigen Jahren wirkt er bei der renommierten holländischen Tageszeitung „De Telegraaf“ in Amsterdam als Reporter. Er betreut dort den Bereich Amateurfussball sowie verschiedene andere Sportarten und arbeitet auch auf der Redaktion mit. Dass der Printjournalismus im Bereich der Abonnementszeitungen heute keinen einfachen Stand hat, kann er bestätigen: „Die papierene Zeitung ist jetzt in schwerem Wetter“, betont er in seiner unnachahmlichen Art. Aber mit viel persönlichem Einsatz versucht er Gegensteuer zu geben und dafür zu sorgen, dass ein möglichst breites Publikum Blätter wie den Telegraaf weiterhin abonniert oder am Kiosk kauft.
André Sitek ist heute Sportjournalist.
In diesem Zusammenhang bietet sich noch folgende Frage an den Experten an: Könnte der FC Basel mit den besten Teams von Holland wie PSV Eindhoven, Ajax, AZ Alkmaar, Feyenoord, Vitesse Arnheim, Zwolle, SC Heerenveen, FC Groningen und Willem II mithalten? „Ich glaube schon“, sagt er. „Basel könnte bei uns sogar Meister werden. Unsere „Competition“ (das holländische Championnat) ist nicht so gut, wie jeder glaubt.“ Hat man denn in Holland die Erfolge von Basel im Europacup und die sechs Meistertitel en suite überhaupt zur Kenntnis genommen? Sitek lacht: „Ich schon. Aber in Holland weiss ich nicht, ob man das mitbekommen hat. Bei uns zuhause schaut das grosse Publikum vor allem auf die Meisterschaften in Deutschland, England oder Spanien.“ Abschliessende Frage: Wird André Sitek eines Tages einmal nach Basel zu Besuch kommen? „Das ist ein Traum von mir. Ich hatte nie einen richtigen Abschied in Basel, und es wäre schön, wenn ich das noch kommen würde. Ich habe die Basler Fans geliebt, und ich bin sicher, dass sie mich auch ein bisschen liebten. Ich wünsche dem FC Basel alles Gute und hoffe, dass sie nächstes Jahr die Champions League holen.“ Die Vorstellung eines FC Basel mit dem mächtigen Henkel-Becher, als Dominator von Europa – das ist wieder derjenige André Sitek, wie wir ihn kennen. Gutgelaunt, lustig, humorvoll. Und immer für ein Spässchen gut.
Steckbrief:
Name: Sitek
Vorname: André
Geburtstag: 17. April 1963
Vereine:
SBV Haarlem 1986-1988
FC Chur 1988-1989
FC Baden 1989-1991
FC Basel 1991-1993
FC Locarno 1994-1995
1. Rang NLB-Qualifikation und 4. Rang Auf-Abstiegsrunde 1991/92 mit dem FCB.
1. Rang NLB-Qualifikation und 4. Rang Auf-Abstiegsrunde 1992/93 mit dem FCB.
Dritter Rang am Uhrencup 1992 mit dem FCB. Insgesamt 56 Tore in 70 Partien für den FC Basel.
(Fotos: Stefan Holenstein und FCB-Archiv)