Sitek – immer noch der Bruder Lustig aus Holland

André Sitek
Freitag, 13.11.2015 // 10:57 Uhr

Das Porträt über André Sitek stellt die Fortsetzung einer Serie über ehemalige Spieler des FC Basel 1893 dar, die hier auf www.fcb.ch publiziert wird. Bisher wurden Pascal Zuberbühler (28. August 2014), Roland Paolucci (3. Oktober 2014), Christian Giménez (29. Dezember 2014), Martin Andermatt (12. Februar 2015), Nestor Subiat (18. März 2015), Erni Maissen (6. Mai 2015), Eigil Nielsen (16. Juli 2015) und Maximilian Heidenreich (4. September 2015) porträtiert.

Früher war er der grosse Stürmerstar in Basel, heute wirkt er als Sportjournalist in Amsterdam – André Sitek hat wahrlich viel erlebt in der Welt des Fussballs. Höhen und Tiefen hat er ausgelotet, wie kaum ein anderer.

 

Wer die vieltausendköpfige orange Welle der Oranje-Supporter in Basel anlässlich der letzten Europameisterschaft miterlebt hat, wer dieses unglaubliche Brimborium in unserer Innerstadt mitverfolgt hat, der weiss: Holländische Fussballfans sind ein lustiges Völkchen. Vor allem dann, wenn sie zünftig dem Gerstensaft zugesprochen haben. Lustig war auch André Sitek, jener baumlange Stürmer, der seine Karriere einst in Holland gestartet hatte und dann via einige kleine Schweizer Vereine zum damals noch schlafenden Riesen FC Basel gestossen war. Doch berichten wir wie immer gemach der Reihe nach. André Sitek schloss sich im zarten Alter von 15 Jahren dem SBV Haarlem an. Mit dieser Equipe vom kleinen Stadion in Haarlem mit einer Kapazität von 3442 Plätzen bestritt er auch einige Spiele in der holländischen Eeredivisie (Ehrendivision – höchste Spielklasse von Holland), so zum Beispiel gegen Ajax Amsterdam, AZ Alkmaar, Groningen, Willem II, Excelsior Rotterdam, Go Ahead Eagles Deventer, Den Bosch, VVV Venlo, Fortuna Sittard sowie einige Cup-Partien, etwa gegen den SC Telstar und Heracles Almelo. In seinem Team standen damals Leute mit klingenden Namen, allen voran Stürmerstar Johnny Rep (Vizeweltmeister von 1974 und 1978 mit Holland und UEFA-Cupfinalist mit Bastia) und Mittelfeldspieler Luc Nijholt. André Sitek liess in dieser Epoche bereits da und dort vor dem gegnerischen Kasten sein Talent aufblitzen.

 

Die Anfänge auf Schweizer Boden

 

Bald schon landete der aufgestellte Sportsmann in der schönen Schweiz. Der damals in der Nationalliga B spielende FC Chur hatte ein Auge auf ihn geworfen. Für dieses Team und später auch für den FC Baden erzielte der aufstrebende Mann aus dem Land der Windmühlen einen „Doelpunt“ nach dem anderen (Tore wie am Fliessband) – auch per „Volley“ (Direktabnahme) oder mittels „Kopbal“ (Kopfball). Sitek hatte das heilige Feuer in sich. Der Bursche war omnipräsent, vor allem beim Umschaltspiel, im Forechecking und bei allen Abschlusssituationen. Auch Basel bekam seine Torgefährlichkeit zu spüren. Und so war es folgerichtig, dass der Name des torhungrigen „Aanvaller“ (Stürmer) schon bald in sämtlichen Notizblöcken der Scouts in der Nationalliga A und in der Nationalliga B vertreten war. Jeweils gegen 20 Treffer gelangen ihm für die Churer und die Badener. Doch irgendeinmal kommt für einen Sturmtank in der Provinz der Moment, wo er nach Höherem strebt und deshalb weiterziehen muss.

 

FCB und Sitek – die grosse Liebe

 

Eines schönen Tages verlegte André Sitek seinen Wohnsitz in die Nordwestschweiz. Er hatte in Basel unterschrieben. Gemeinsam mit dem Deutschen Dirk Lellek verstärkte der ebenso talentierte wie extrovertierte „Spitz“ (Sturmspitze) den FC Basel auf die Saison 1991/92. Sitek und der FC Basel, das war Liebe auf den ersten Blick. Der rotblaue Stadtclub spielte damals unter Trainer Ernst August Künnecke in der zweithöchsten Spielklasse, in der Nationalliga B also. Gegner waren Bulle, Etoile Carouge, Châtel St. Denis, La Chaux-de-Fonds, Delémont, Fribourg, Grenchen, Old Boys, Urania Genf, Yverdon und so weiter. Auch wenn nicht immer alles rund lief und man beispielsweise in der Auf-Abstiegsrunde 1992/93 vor 34'000 Zuschauern gegen GC den Kürzeren zog (in Erinnerung blieben vor allem die fünf famosen Basler Tambouren als Pausenunterhaltung), so vermochten André Sitek, Frédéric Chassot, Admir Smajic, Marco Walker, Massimo Ceccaroni, Thomas Grüter & Co. doch wenigstens die Herzen des Publikums zu erobern.

 

Der FCB der damaligen Zeit gewann zwar längst nicht immer. Aber er wusste auch damals schon eine verschworene Anhängerschaft hinter sich. André Sitek bestätigt dies: „Gegen Luzern und GC war jeweils das ganze Stadion in blau und rot. Das war Leidenschaft pur, es war unglaublich“. Nur zu gerne wäre André Sitek auch einmal in einem „Endclassificatie“ (Schlussklassement) ganz oben gestanden oder zu einem „beslissende Wedstrijd“ (Entscheidungsspiel) angetreten. Er hätte auch mit aller Macht der Parole „Hup Basel Hup, we winnen de Cup“ (Hopp Basel Hopp, wir holen den Cup) nachleben wollen. Aber diese Krönung seiner Karriere blieb ihm versagt. Immerhin: Kaiser Sitek – so wurde er von gewissen Anhängern ehrfurchtsvoll genannt – war „De beste Doelschutter“ (Der beste Torschütze) der Rotblauen. Als solcher war er in Basel fast berühmter als ein Regierungsrat. Der 1.90 Meter grosse Stürmerstar stellte die gegnerischen „Keeper“ (Torhüter) dank seiner Durchschlagskraft, seinen wuchtigen Schüssen und seiner intuitiven Art heisse Situationen im „Strafschopgebied“ (Strafraum) vorauszuahnen, vor arge Probleme. Die „Verdediger“ (Verteidiger) der Gegnermannschaften wussten: Sitek ist stark. Aber sie konnten ihn dennoch nicht am Torschuss oder am Kopfball hindern.

 

Feiern, jubeln, fröhlich sein

 

André Sitek pflegte seine Torerfolge ausgiebig zu zelebrieren. Im Jubeln und im Feiern war er ganz sich selbst. Zeit seiner Karriere war er auch immer als Bruder Lustig bekannt. Ein Beispiel möge dies verdeutlichen: An einem Stadtfest trat er einmal zusammen mit Teamkamerad Dirk Lellek in einem Festzelt bei der Kaserne zum Star-Talk an. Vom Moderator gefragt, was er denn von der kommenden Saison erwarte, lachte er: „Ich will stark spielen – und dann schauen, dass ich bei Präsident Epting einen möglichst guten, neuen Vertrag herausschleppen kann.“ Privat zog der umworbene Fussballheld in seinen aktiven FCB-Zeiten gerne zu nachtschlafener Zeit um die Häuser. Es ist verbürgt, dass er des öfteren in froher Runde dem Motto „Bier, Weib und Gesang“ gehuldigt hat. Die Bodega war nur eines von verschiedenen Lieblingslokalen von ihm. Doch eines Tages begannen sich die Zeichen zu mehren, dass Sitek gehen musste. Niemand mochte es richtig zu deuten, aber irgendwie hatte der flotte Lebenswandel auch auf die fussballerischen Leistungen niedergeschlagen. Sei dem wie es sei. Tatsache ist: Den einst strahlenden Helden erlebten Beobachter jetzt als zunehmend ernst und traurig. Es wurde still um ihn. Wenig später musste er seine Koffer packen. Der FC Locarno war dann seine letzte Station in unserem Land.

 

Schwierige Zeiten in Holland

 

Nach seiner Rückkehr in die alte Heimat kam auf den einst Umjubelten einige zusätzliche Unbill zu. Auf die genauen Umstände dieser Probleme möchte der sympathische FCBler heute nicht mehr gross eingehen, was sein gutes Recht ist. Er gibt aber zu, dass es zwei Jahre lang für ihn ziemliche Schwierigkeiten gab. Schwierigkeiten, die er heute zum Glück erfolgreich bewältigt hat. Seit einigen Jahren wirkt er bei der renommierten holländischen Tageszeitung „De Telegraaf“ in Amsterdam als Reporter. Er betreut dort den Bereich Amateurfussball sowie verschiedene andere Sportarten und arbeitet auch auf der Redaktion mit. Dass der Printjournalismus im Bereich der Abonnementszeitungen heute keinen einfachen Stand hat, kann er bestätigen: „Die papierene Zeitung ist jetzt in schwerem Wetter“, betont er in seiner unnachahmlichen Art. Aber mit viel persönlichem Einsatz versucht er Gegensteuer zu geben und dafür zu sorgen, dass ein möglichst breites Publikum Blätter wie den Telegraaf weiterhin abonniert oder am Kiosk kauft.

 


André Sitek ist heute Sportjournalist.

 

In diesem Zusammenhang bietet sich noch folgende Frage an den Experten an: Könnte der FC Basel mit den besten Teams von Holland wie PSV Eindhoven, Ajax, AZ Alkmaar, Feyenoord, Vitesse Arnheim, Zwolle, SC Heerenveen, FC Groningen und Willem II mithalten? „Ich glaube schon“, sagt er. „Basel könnte bei uns sogar Meister werden. Unsere „Competition“ (das holländische Championnat) ist nicht so gut, wie jeder glaubt.“ Hat man denn in Holland die Erfolge von Basel im Europacup und die sechs Meistertitel en suite überhaupt zur Kenntnis genommen? Sitek lacht: „Ich schon. Aber in Holland weiss ich nicht, ob man das mitbekommen hat. Bei uns zuhause schaut das grosse Publikum vor allem auf die Meisterschaften in Deutschland, England oder Spanien.“ Abschliessende Frage: Wird André Sitek eines Tages einmal nach Basel zu Besuch kommen? „Das ist ein Traum von mir. Ich hatte nie einen richtigen Abschied in Basel, und es wäre schön, wenn ich das noch kommen würde. Ich habe die Basler Fans geliebt, und ich bin sicher, dass sie mich auch ein bisschen liebten. Ich wünsche dem FC Basel alles Gute und hoffe, dass sie nächstes Jahr die Champions League holen.“ Die Vorstellung eines FC Basel mit dem mächtigen Henkel-Becher, als Dominator von Europa – das ist wieder derjenige André Sitek, wie wir ihn kennen. Gutgelaunt, lustig, humorvoll. Und immer für ein Spässchen gut.

 

 

Steckbrief:

 

Name: Sitek

 

Vorname: André

 

Geburtstag: 17. April 1963

 

Vereine:

 

SBV Haarlem 1986-1988

 

FC Chur 1988-1989

 

FC Baden 1989-1991

 

FC Basel 1991-1993

 

FC Locarno 1994-1995

 

1. Rang NLB-Qualifikation und 4. Rang Auf-Abstiegsrunde 1991/92 mit dem FCB.

 

1. Rang NLB-Qualifikation und 4. Rang Auf-Abstiegsrunde 1992/93 mit dem FCB.

 

Dritter Rang am Uhrencup 1992 mit dem FCB. Insgesamt 56 Tore in 70 Partien für den FC Basel.

 

(Fotos: Stefan Holenstein und FCB-Archiv)

Dieser Inhalt wurde automatisch von einem alten System migriert. Auffällige Fehler bitte an newsroom@fcb.ch schicken.

 

Mehr zum Thema

Ihr Browser ist veraltet.
Er wird nicht mehr aktualisiert.
Bitte laden Sie einen dieser aktuellen und kostenlosen Browser herunter.
Chrome Mozilla Firefox Microsoft Edge
Chrome Firefox Edge
Google Chrome
Mozilla Firefox
MS Edge
Warum benötige ich einen aktuellen Browser?
Sicherheit
Neuere Browser schützen besser vor Viren, Betrug, Datendiebstahl und anderen Bedrohungen Ihrer Privatsphäre und Sicherheit. Aktuelle Browser schließen Sicherheitslücken, durch die Angreifer in Ihren Computer gelangen können.
Neue Technologien
Die auf modernen Webseiten eingesetzten Techniken werden durch aktuelle Browser besser unterstützt. So erhöht sich die Funktionalität, und die Darstellung wird verbessert. Mit neuen Funktionen und Erweiterungen werden Sie schneller und einfacher im Internet surfen können.