So stand der solide Abwehrspieler noch ein Weilchen für den FCB in Einsatz. Gegen den Hamburger SV absolvierte er im Rahmen der dritten UI-Cup-Runde das Auswärtspiel in Lübeck. Der FCB siegte im Lohrheidestadion dank eines goldenen Treffers von George Koumantarakis 1:0. Der Match wurde auf DSF live übertragen. Es war dies nach langer Durststrecke das erste international beachtete Resultat der Basler. Beinahe wäre den Bebbi im Rückspiel die Sensation gelungen. Nur mit viel Pech und aufgrund von nicht genutzten Riesenchancen von Koumantarakis und Cantaluppi verlor der FCB im Stadion Schützenmatte vor 3756 Zuschauern (das Publikumsinteresse war natürlich weit grösser, aber mehr Zuschauer durften aufgrund von rigorosen Sicherheitsbestimmungen der UEFA nicht hinein) mit 2:3. Die Basler schieden gegen die Hanseaten notabene nur wegen der in europäischen Wettbewerben angewandten Auswärtstor-Regel aus. „Bittere Niederlage gegen einen biederen Gegner“, stand daraufhin in der Basler Zeitung zu lesen.
Bewegte Zeiten in Izmir
Wenig später klopfte dann aber ein anderer Club aus der obersten Liga der Türkei bei Atilla Sahin an: Göztepe Izmir. Göztepe ist ein Traditionsclub, dessen beste Zeiten in die sechziger Jahre zurückgehen. Sechsmal hintereinander spielten die Rotgelben im Europacup. Einmal erreichten sie sogar die Halbfinals mit Hin- und Rückspiel gegen Ujpest Dozsa Budapest. Atilla Sahin, dessen Aktien beim neuen FCB-Trainer Christian Gross zu diesem Zeitpunkt nicht sehr hoch standen, zögerte nach der Offerte aus Izmir nicht lange. Mutig entschloss er sich zu einem Tapetenwechsel. In Izmir traf der türkischstämmige Schweizer auf eine zusammengewürfelte Equipe bestehend aus erfahrenen Kämpen und jungen Talenten. Präsent waren unter anderem die beiden Goalies Richard Kingston (Nationalgoalie von Ghana mit 89 Einsätzen für sein Land, er spielt heute immer noch in Accra) und Bülent Ataman. Ebenfalls an Bord waren der offensive Mittelfeldspieler Kubilay Toptas von Dardanelsport und Fenerbahce Istanbul sowie der Stürmer Bülent Uygun – seines Zeichens Topskorer 1993/94 bei Fenerbahce Istanbul und Meister 1995/96 mit Fenerbahce Istanbul.
Dynamischer und kampfstarker FCB-Akteur: Atilla Sahin.
„Die Verhältnisse im türkischen Fussball sind besonders. Es ist nicht zu vergleichen mit der Schweiz. Der Lohn kommt oft zu spät oder gar nicht. Wir mussten oft auf Geld warten. Auch sonst ist vieles ganz anders. So werden zum Beispiel einheimische türkische Spieler gegenüber den aus dem Ausland zugezogenen Spielern tendenziell eher bevorzugt“, sinniert Sahin. „Der Lohn wurde uns in bar ausbezahlt. Wenn wir ein Heimspiel verloren, gab es Bussen für alle – unsere Moral war dementsprechend schlecht. Meinen Lohn erhielt ich nach dem jeweils geltenden Tageskurs zwischen türkischer Lira und Dollar. Wir mussten nach Erhalt dieser Banknoten-Bündel in einem Quittungs-Buch unterschreiben. Als ich dort unterschrieb, entdeckte ich darin auch die Saläre meines Trainers und meiner Mitspieler. Es wirkte alles sehr chaotisch und improvisiert. Das viele Papiergeld brachte ich noch gleichentags auf ein Change-Institut und wechselte es dort in Dollar um. Als Banker begreife ich nicht, dass man diese Löhne nicht direkt überweisen konnte.“
Nach dem Abstieg zurück in die Schweiz
Leider passte bei Göztepe auch sonst vieles nicht zusammen. Die Mannschaft verlor nach an sich guter Vorrunde mit acht Punkten Vorsprung auf die Abstiegsplätze in der Rückrunde ein Spiel ums andere. Vier Trainer gaben sich die Klinke in die Hand. Es wurde nicht besser. Die Fans tobten. Mehrere konkurrierende Fangruppierungen kehrten dem Club den Rücken. Insgesamt sechs Spieler wurden entlassen. All dies hatte einen starken Zuschauerrückgang zur Folge. Statt im Atatürk Stadion spielte man plötzlich im kleinen Alsancak Stadion. Nach einer weiteren Niederlage wurden er und seine Mitspieler sogar von wildgewordenen, mit Schwertern bewaffneten Anhängern verfolgt. „Wir Spieler bildeten einen Autokonvoi und mussten uns vor dem Mob in Sicherheit bringen. Ich schaute in den Rückspiegel und sah, wie diese Typen mit ihren Schwertern herumfuchtelten. Es war sehr gefährlich, das Ganze. Wir fuhren an diesem Abend durch ganz Izmir, ehe wir uns heimgetrauten.“
Am Wochenende darauf spielte Göztepe als Underdog in Istanbul gegen den Favoriten Fenerbahce. Göztepe gewann 3:2. Trotz dieses mutigen Aufbäumens war für die Männer aus Izmir der Abstieg besiegelt. Sahin hatte genug erlebt. Er verliess den Club und kehrte in die Schweiz zurück. Als er wieder in Basel gelandet war, erreichte ihn nochmals ein Telegramm der Türken. „Komm doch bitte zurück. Du kannst Deinen Lohn selber bestimmen“, stand dort drauf. Für Atilla Sahin war dies die Bestätigung, dass er in Izmir gute Arbeit geleistet hatte und dass seine Dienste geschätzt wurden.
Heute im Bankgeschäft tätig
In der beschaulichen Schweiz liess er seine Karriere dann langsam ausklingen. Bei Winterthur und Delémont gab es den einen oder anderen Achtungserfolg. Nach mehreren Knieverletzungen musste er seine Kickschuhe an den Nagel hängen. Immerhin kann er heute wieder Plauschmätschli mit Muttenz austragen.