Wie sieht der Stand der Dinge bei der Akademie konkret aus?
Als Standort für die Akademie wurde Alanthurai, eine kleine Gemeinde westlich von Coimbatore, ausgewählt – eine ländliche Gegend direkt an der Grenze zum Bundesstaat Kerala. Dort wurden 32 Acre erworben, was ungefähr der Grösse von 18 Fussballfeldern entspricht. Wohlgemerkt nicht vom FCB, sondern vom Chennai City FC. Der CCFC finanziert auch die Bauten. Geplant sind drei Plätze mit Naturrasen und zwei mit Kunstrasen, ein Basketballfeld, eine Joggingstrecke und ein See. Dazu kommen ein Umkleidetrakt, Fitnessraum, Physioräume, eine Mensa, Anfahrtswege und Parkplätze. Und natürlich Wohnräume. Es wird Platz für rund 90 Jugendliche plus Betreuer geschaffen.
Und wann soll dort Fussball gespielt werden?
Wir sind mit Architekten und Bauherren dabei zu planen, konstruieren und zu budgetieren. Die hohen Ansprüche des FCB sowie jene des Chennai City FC müssen unter einen Hut gebracht werden. Ich gehe davon aus, dass wir bereits im Juni 2020 auf den ersten Plätzen trainieren können und das Ziel ist es, dass die Anlage im September 2020 fertiggestellt ist. Es soll einmal die beste Fussball-Nachwuchsakademie Indiens werden.
Das klingt gross und zeitlich ehrgeizig und es erscheint als auf längere Zeit an gelegtes Projekt.
Es wird in den nächsten zwei, drei Jahren Knochenarbeit werden. Sonst wird es keinen guten Output geben. Und wenn wir es nicht gut machen, dann kommt auch in vier Jahren nichts dabei heraus. Als wir die ersten Sichtungsspiele gemacht haben, ist mir bewusst geworden, dass es nur ein Langzeitprojekt werden darf. Wenn ich einen zwölf-, dreizehnjährigen Buben anschaue, der in Indien in einem Verein Fussball spielt, und das vergleiche mit dem, was ich bei uns auf dem Campus bei den Gleichaltrigen sehe, dann gibt es da eigentlich keinen grossen Unterschied. Ich sehe in Indien zwar noch nicht die guten Aktionen, weil die Spieler technisch-taktisch noch nicht so gut angeleitet werden, aber zum Teil sehe ich sogar mehr Potenzial, weil sie in ihren intuitiven Handlungen besser sind als mancher unserer Spieler in Basel. Aber dann durfte ich ein U18-Sichtungstraining beobachten, an dem ich nicht richtig Spass hatte: Jugendliche, die gross und kräftig geworden sind und fussballerisch keinen Fortschritt gemacht haben.
Worin erkennen Sie die Ursache dafür?
Das liegt daran, dass es keine Trainer gibt, keine wirklichen Ausbildungskonzepte. Es besteht noch kein Knowhow, wie mit jugendlichen Fussballern umzugehen ist. Deshalb wird falsch trainiert und die Spieler verbessern sich nicht. Die kurze Meisterschaft und der fehlende Wettbewerb tun ihr Übriges dazu.
Wie erleben Sie die indischen Kinder und Jugendlichen?
Egal, aus welcher Region sie kommen: Sie haben eine demütige Haltung. Grosskotzige und überhebliche Typen gibt es nicht. Von der Schule, wo sie sehr viel lernen müssen, bringen sie Disziplin mit, manchmal sind sie fast zu diszipliniert. Wenn man das als Basis betrachtet, wenn sie Eigenverantwortung lernen und wenn die Demut in Eigenmotivation umgewandelt werden kann, dann werden wir in vier, fünf Jahren viele junge, interessante indische Fussballer haben, die in Europa spielen können. Technisch und athletisch besitzen sie auf jeden Fall genügend Fähigkeiten, um wirklich gut zu werden.
Das heisst: Die aktuell älteren Jahrgänge muss man abschreiben und bei den Zwölf-, Dreizehnjährigen ansetzen?
Genau. Es ist nicht auszuschliessen, dass in diesem riesigen Land vielleicht ein 18-Jähriger ist, der das Potenzial mitbringt, es in zwei Jahren nach Europa zu schaffen. Aber wenn man systematisch vorgehen und die Spieler auf ein Niveau bringen will, auf dem sie eine reelle Chance besitzen, in einer der Top-Five-Ligen in Europa zu landen, dann müssen wir bei den Jüngeren anfangen. Sie können, das mag hart klingen, nicht «richtig» Fussball spielen. Sie haben kein Gefühl für die Spielsituation, keinen Rhythmus, keine Phasen im Spiel. Die Jungs sind toll, die rennen, das macht dich beim Zusehen aber fast wahnsinnig, weil sie nur rennen. Unsere Spieler dagegen wollen nicht mehr rennen, die wollen nur noch spielen. Wenn man in Indien also ein modernes Ausbildungskonzept umsetzen kann, dann sehe ich unglaublich viel Potenzial. Und der FCB kann dabei sehr viel gewinnen: Talente entwickeln, Einnahmen generieren, nicht mehr so abhängig sein von den Einnahmen der europäischen Wettbewerbe, an die man in den kommenden Jahren sowieso immer schwerer rankommen wird.