Ausgangslage
Die Tendenz seitens der Behörden ging zuletzt leider einseitig in Richtung pauschale Kriminalisierung von Fussballfans, Kausalhaftung und Kollektivstrafen. Dies ist weder mit den jeweiligen Club-Chartas vereinbar noch verhältnismässig und zielführend. Aus Sicht der Clubs ist es wichtig, dass sich der Hauptfokus wieder vermehrt auf den konstruktiven Dialog unter allen Beteiligten richtet, um in diesem Spannungsfeld gemeinsam sinnvolle und zielführende Lösungen sowie Massnahmen zu erarbeiten. Dieser Weg des Dialogs mit den Vertreter:innen der Fanarbeit und der Fankurven hat sich klar bewährt und es wäre fatal, die jahrelange Arbeit und diese wichtige Plattform aufs Spiel zu setzen. Der direkte, vertrauensvolle und durchaus kontroverse Austausch zwischen den Clubs und ihren Fans ist unabdingbar. Gerade wenn es darum geht, Ereignisse aufzuarbeiten, sich über aktuelle Entwicklungen aufzudatieren oder gar Konfliktpotenziale frühzeitig zu erkennen.
Zuletzt passierte aber das Gegenteil: Die KKJPD hat seit Beginn dieser Saison die Repressionsschraube gegen Fussballfans massiv angezogen. Die Vereine und die Liga wurden bisweilen zu Statist:innen degradiert. Anstatt den Dialog weiterzuführen und gemeinsam konstruktive Wege zu suchen, haben die Behörden einseitig Teile des Kaskadenmodells umgesetzt, ohne dass über dieses abschliessend befunden wurde. Selbst die Wissenschaft, die sich mit Gewalt im Sport beschäftigt und die Massnahmen der KKJPD evaluiert, bescheinigt dem Schweizer Fussball ein ausserordentlich tiefes Niveau an gewalttätigen Ereignissen, wenn man sie in ein Verhältnis zu vergangenen Saisons setzt. Und dies in einer Zeit, in der erfreulicherweise stets mehr Fans in die Stadien strömen.
Die jüngsten Beispiele offenbarten denn auch genau den folgenden Missstand: Die Massnahmen, zum Beispiel die Sektorsperre beim FC Zürich Ende Januar, wurden verschuldensunabhängig ausgesprochen und konnten vom betroffenen Club auch nicht durch eigenes Verhalten abgewendet werden. Mit anderen Worten: Es handelte sich um eine «Kausalhaftung». Diese Vorgehensweise ist aus rechtlicher Sicht insofern stossend, als dass nach Schweizer Recht in der Regel ein Verschulden für das Begründen einer Haftung vorausgesetzt ist. Von diesem Grundsatz wurde in der jüngsten Praxis mehrfach abgewichen und die Verantwortung für Verfehlungen von Dritten vollständig auf die Clubs abgeschoben.
Clubs sind einzelnen Individuen ausgeliefert
Dabei ist zweierlei anzumerken: Einerseits haben die Clubs ausserhalb des Stadionperimeters keine Einflussmöglichkeiten auf das Verhalten ihrer Anhänger und verfügen zudem weder über die Mittel noch über die notwendigen Kompetenzen, um gegenüber ihrer Anhängerschaft ausserhalb ihres rechtlichen Herrschaftsbereiches Anweisungen zu erteilen oder Massnahmen durchzusetzen. Andererseits werden Clubs, die Bemühungen unternehmen, um positives Verhalten ausserhalb des Stadions zu fördern, gleichwohl bestraft, wenn es trotz der unternommenen Bestrebungen der Clubs zu Fehlverhalten kommt. Dies führt zur unsachgemässen Ausgangslange, dass den betroffenen Clubs einerseits ein Verhalten zugerechnet wird, welches sie nicht beeinflussen können und andererseits wirken sich Handlungen zur Reduktion von Konfliktsituationen ausserhalb des Stadions weder haftungsbefreiend noch haftungsreduzierend aus. Daraus resultiert die unbefriedigende Situation, dass betroffene Clubs einzelnen Individuen, welche sich nicht an die Regeln halten, ausgeliefert sind.
Das Kaskadenmodell – wobei die Bezeichnung Kausalmodell zutreffender wäre – suggeriert eine Handlungsmöglichkeit bzw. eine Handlungspflicht der Clubs, welche in diesem Umfang schlicht nicht besteht. Unabhängig davon, welche Anstrengungen ein Club unternimmt, um zur Vermeidung von Konfliktsituationen beizutragen, verbleibt die vollständige Verantwortung nach dem Kaskadenmodell bei den betroffenen Clubs.
Die Täterermittlung und Strafverfolgung obliegen aber letztlich ausschliesslich den Strafverfolgungsbehörden. Dieser Prozess kann – wie bei jedem anderen Delikt auch – in der Regel nicht in aller Kürze erfolgen. Aus diesem Grund ist es für die Clubs fraglich, weshalb im Rahmen von Fussballspielen Kollektivstrafen unmittelbar ausgesprochen werden und man sich nicht die nötige Zeit für die Einzeltäterermittlung nimmt.
Verfassungsmässige Rechte der Clubs
Die jüngst praktizierten Massnahmen stellen einen erheblichen Eingriff in die Autonomie und die Wirtschaftsfreiheit der betroffenen Clubs dar, welcher nicht verhältnismässig und nicht gerechtfertigt ist. Die Sperrung ganzer Sektoren sowie das Veranlassen eines vollständigen Stopps des Ticketverkaufs beschneiden die Clubs in ihrer wirtschaftlichen Freiheit und sind auch aus wettbewerbsrechtlicher Sicht kritisch zu betrachten. Sind die Clubs doch grösstenteils Mieter der Stadien und Veranstalter von Fussballspielen. Wenn nun ganze Sektoren behördlich gesperrt werden, können die Clubs den vertraglichen Verpflichtungen gegenüber unbescholtenen Saisonkarteninhaber:innen nicht nachkommen. Dadurch werden verfassungsmässige Rechte der Clubs, wie die Wirtschaftsfreiheit oder die Eigentumsgarantie durch willkürliche Massnahmen verletzt.
Konklusion: Massnahmen sind unverhältnismässig
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich die im Kaskadenmodell beabsichtigten Massnahmen sowie die jüngst bereits praktizierten Beispiele gegen die falschen Exponenten – nämlich die friedlichen Fans und die Clubs – richten und unverhältnismässig sind. Die Massnahmen sind nicht geeignet, die vorgegebenen Ziele zu erreichen, weil sie sich gegen einen unbestimmten Adressatenkreis richten und unbetroffene Fans sowie Clubs, die kein Verschulden trifft, gleichermassen sanktionieren.
Deshalb lehnen die eingangs erwähnten Clubs das Kaskadenmodell ab und fordern die KKJPD auf, dieses zu verwerfen. Die Clubs betonen aber gleichzeitig, dass sie uneingeschränkt Hand bieten, damit gewaltbereite und gewalttätige Einzelpersonen im Rahmen der Einzeltäterverfolgung konsequent durch die zuständigen Behörden identifiziert und bestraft werden können. Das Abschieben dieser Verantwortung auf die Clubs erachten wir als gesetzeswidrig und unfair.