Simone Grippo, du bist mit 20 Jahren in die Serie A zu Chievo Verona gewechselt. Ich kann mir vorstellen, dass dies ein grosses Abenteuer war. Kannst du uns ein wenig über deine Zeit in Italien erzählen?
Vielleicht wurde ich auch durch meine italienischen Wurzeln zu diesem Wechsel verleitet, weil die Serie A immer ein Traum von mir gewesen war. Darum wollte ich die Möglichkeit, als sie sich ergab, auch beim Schopf packen. Im Nachhinein ist man immer schlauer, aber es war eine einmalige Chance, nach einer Saison in der Challenge League bei Concordia.
Und auch sicherlich eine einmalige Erfahrung?
Ja, und es passte auch sehr gut von der Zeit her: Ich hatte gerade die kaufmännische Lehre abgeschlossen. Da war dieser Schritt wie eine Befreiung und eben auch ein Abenteuer. So habe ich es auch gelebt, vielleicht fehlte es mir ein bisschen an Seriosität, was sich an der Anzahl Einsätzen im ersten Jahr widerspiegelt. Dieses verlief dann auch etwas stockend. Im zweiten Jahr war ich zwar zur AC Lumezzane in die dritthöchste Liga ausgeliehen, aber ich sammelte viel Praxis und wir gewannen den Liga-Cup. Auch das darauffolgende Jahr in der Serie B bei Frosinone Calcio war sehr positiv mit vielen Einsätzen. Danach kehrte ich zu Chievo Verona zurück, verletzte mich aber. Um die Karriere wieder zu lancieren, kehrte ich in die Schweiz zurück. Das Jahr mit Servette war zwar nicht ganz einfach, aber danach kam das Angebot aus Vaduz. Dort habe ich nochmals Schwung geholt und hatte die Möglichkeit eine neue Karriereplanung vorzunehmen.
Dein zweites Auslandabenteuer dauerte dann etwa vier Jahre und du kamst zu viel mehr Spielen. Was war anders in Spanien?
Es war mein Ziel, mich in der Super League durchzusetzen, was mir in Vaduz auch gelang. Ich entwickelte mich dort innerhalb von dreieinhalb Jahren zum Leistungsträger. Dann kam das Angebot aus Spanien. In Saragossa und Oviedo lief es sehr gut für mich und ich hatte eine super Zeit. Das lag sicher auch daran, dass ich mehr Erfahrung hatte, und dass meine Frau und mein Sohn mitgekommen sind. Das gab mir zusätzliche Stabilität.
An welche Station deiner Karriere hast du die besten Erinnerungen?
Die vier Jahre in Spanien waren aussergewöhnlich – sowohl sportlich als auch von der menschlichen Seite her. Ich habe eine neue Sprache sowie eine neue Kultur und viele nette Leute kennengelernt. Vom Mannschaftsleben her würde ich den FC Vaduz als schönste Station nennen. Ich habe jetzt noch Freunde aus dieser Zeit, zu denen ich Kontakt pflege. Aber auch die Juniorenzeit beim FCB möchte ich erwähnen. Ich durfte beim hier eine unglaublich gute Ausbildung geniessen, die mir zu dieser Karriere im Profifussball verholfen hat.
Was hast du im letzten halben Jahr, nach deinem Rücktritt vom Profifussball, gemacht?
Ich habe schon während meiner Karriere ein CAS in Sportmanagement an der Uni in Lausanne in Zusammenarbeit mit der UEFA begonnen. Das habe ich nun abgeschlossen – und im vergangenen November auch das B-Diplom als Trainer. Zudem habe ich habe beim SFV eine Weiterbildung zum Talentmanager begonnen. Daneben habe ich viel Fussball geschaut, um auf dem Laufenden zu bleiben und Kontakte gepflegt. Es wurde mir gerade jetzt wieder bewusst, wie wichtig das ist – privat wie im Beruf.
Nun folgte vor wenigen Wochen die Rückkehr zum FCB. War es immer ein Ziel von dir zurückzukommen?
Es gab immer wieder losen Kontakt und zeitweise war eine Rückkehr ein Thema. Aber es hat sich nie ergeben. Dass ich jetzt in dieser Rolle zurückkommen kann, erfüllt mich mit Stolz, aber gleichzeitig bringt es auch eine grosse Verantwortung mit sich. Ich freue mich sehr auf meine Aufgabe und auch darüber, wieder beim FCB zu sein. Daniel Stucki hat mich just in dieser Woche angerufen, als ich mich für oder gegen eine Anstellung beim Schweizerischen Fussballverband entscheiden musste. Der Entscheid pro FCB folgte schnell und bis jetzt fühle ich mich sehr wohl damit. Um zu realisieren, wie toll es ist für den FCB zu arbeiten, musste ich zuerst den Schritt weg machen.
Kannst du uns deine Aufgaben schildern?
In erster Linie kümmere ich mich um die Perspektivspieler und helfe diesen, sich weiterzuentwickeln. Die Leihe sollte für sie die Möglichkeit bringen, zu Praxis zu kommen. Mit Praxis entwickelt man sich am meisten. In Absprache mit der sportlichen Führung des FCB gebe ich ihnen Punkte mit, an denen sie arbeiten müssen, wenn sie eines Tages zum FCB zurückkehren wollen. Ich stehe auch in Kontakt zu den aufnehmenden Vereinen – also mit den Trainern und Sportdirektoren. So bekomme ich interessante Einblicke und Einschätzungen. Es ist wichtig, dass die verliehenen Spieler den Kontakt zum FCB weiterhin spüren und merken, dass wir sie verfolgen. Ich versuche alle so oft wie möglich live in Aktion zu beobachten – und wenn möglich auch im Training. Und natürlich bin ich als Ansprechpartner immer für sie da, wenn sie ein offenes Ohr benötigen oder ein Problem haben.
Wie sieht so ein Besuch konkret aus?
Mein letzter Besuch in Yverdon lief so ab: Zuerst hatte ich Kontakt mit Trainer Paolo Tramezzani. Dann habe ich das Training beobachtet und habe mich danach nochmals kurz mit ihm ausgetauscht. Danach habe ich mit Dion Kacuri einige Dinge besprochen, die ihm hoffentlich in seiner Weiterentwicklung helfen werden.
Du bist ja auch noch Spezialtrainer im Nachwuchsbereich. Was sind dort deine Aufgaben?
Ich betreue mannschaftsübergreifend Akteure der Formation. Einerseits liegt der Fokus im defensiven Bereich, wo ich selber Erfahrung habe. Aber andererseits darf ich den Trainern auch helfen gewisse Trainingsformen zu leiten, wovon ich auch in meiner persönlichen Entwicklung profitiere. Diese Tätigkeit ist für mich auch deshalb sehr wichtig, weil ich sehe, wie auf dem Campus gearbeitet wird und ich den Betrieb so besser kennenlerne.
Du warst selbst an Clubs ausgeliehen. Ich nehme an, dass dies eine spezielle Situation ist. Wie geht man mit dieser um?
Mir fehlte oft ein Bindeglied zum Verein, der mich verliehen hatte. Ich fühlte mich oft ein wenig alleingelassen und wusste nicht, ob ich mich mit guten Leistungen wieder bei meinem alten Verein aufdrängen könnte und was die Erwartungen von diesem sind. Ich bekam dann oft zu Beginn der Vorbereitung einfach einen Bescheid, wo ich die nächste Saison verbringen werde. Das ist nicht optimal für die Entwicklung. Gerade für junge Spieler ist ein Feedback wichtig, damit sie einen Anhaltspunkt haben.
Inwieweit helfen dir deine eigenen Erfahrungen für deine jetzige Tätigkeit?
Ich war bis vor einem halben Jahr selber im Profi-Fussball aktiv. Ich weiss also noch gut, wie es im Fussballbusiness zu- und hergeht. Zudem konnte ich von meinen verschiedenen Stationen wirklich viel profitieren und mitnehmen, schon nur was die Sprachen betrifft. Ich bin mit italienisch aufgewachsen, war vier Jahre in der Westschweiz, vier Jahre in Spanien und habe in der Schule Englisch gelernt. Auch durch meine jetzige Tätigkeit als Spezialtrainer kann ich viel mitnehmen und lernen in Sachen Videoanalyse und Trainingsgestaltung, um unseren verliehenen Spielern Verbesserungsmöglichkeiten aufzuzeigen.
Und was machst du in deiner Freizeit als Ausgleich zum Fussball?
Ich hatte schon immer einen grossen Bewegungsdrang, Sport ist für mich immer sehr wichtig. Den grössten Teil meiner Freizeit verbringe ich aber mit meiner Familie – also mit meiner Frau und meinem siebenjährigen Sohn. Die dürfen nicht zu kurz kommen.