Hervé Tum: Mit Siebenmeilen-Stiefeln Richtung GC-Goal...

Portrait
Mittwoch, 21.06.2017 // 14:46 Uhr

Das Porträt über Hervé Tum stellt die Fortsetzung einer Serie über ehemalige Spieler des FC Basel 1893 dar, die hier auf www.fcb.ch publiziert wird. Bisher wurden Pascal Zuberbühler (28. August 2014), Roland Paolucci (3. Oktober 2014), Christian Giménez (29. Dezember 2014), Martin Andermatt (12. Februar 2015), Nestor Subiat (18. März 2015), Erni Maissen (6. Mai 2015), Eigil Nielsen (16. Juli 2015), Maximilian Heidenreich (4. September 2015), André Sitek (13. November 2015), Papa Malick Ba (13. Januar 2016), Bruno Sutter (26. April 2016), Argemiro Veiga (24. Juni 2016), Carlo Porlezza (6. September 2016), Markus Tanner (10. November 2016) und Martin Jeitziner (14.2.2017) und Attila Sahin (17.4.2017) porträtiert.

Im FCB-Sturm der Ära Gross gab es neben Christian Gimenez, Julio Hernàn Rossi und George Koumantarakis auch einen schussgewaltigen Herrn aus Kamerun:­ Hervé Tum. Der von Sion verpflichtete Tum zeichnete für einige der grossartigsten Tore verantwortlich. Er war mitbeteiligt am Gewinn von Meisterschaften und er setzte auch im Cup entscheidende Akzente. Tum bescherte den Basler Fussballfreunden Szenen, die man nie vergisst. Heute wohnt er in Douala. Hier ist seine Geschichte.

 

Anfangs 1979 erblickte Hervé Germain Tum im fernen Kamerun das Licht der Welt, als Mitglied des Volksstammes der Bassa, der drittgrössten Ethnie von Kamerun. Er wuchs in einer grossen Familie auf, gemeinsam mit zwei Schwestern und vier Brüdern. „Wir hatten eine fröhliche Kindheit, natürlich auch mit Höhen und Tiefen, wie es in Afrika so ist“, berichtet er. Leider verstarb sein Vater Thomas im Alter von nur 50 Jahren. Hervé Tum war zu diesem Zeitpunkt erst 13 Jahre alt. Die Mutter Marguerite musste fortan die Familie allein durchbringen. Sie brachte viele persönliche Efforts und arbeitete im Kleinhandel mit Maniok-Stäben (Bobla) und Pistache-Kuchen (Ngwéha). Auch die Jungen halfen mit um den Karren voranzubringen.

 

Bereits in der Grundschule und später dann auch im Collège spielte Hervé Tum mit Feuereifer Fussball. Das war seine grosse Passion, und dies ist auch heute noch so. Als Jüngling durfte er dann in die Kadji Sports Academy eintreten. An diesem Ort sind auch Samuel Eto’o (heute Antalyaspor, früher bei Barcelona, Inter Mailand, Chelsea), Nicolas N’Koulou (heute Lyon, früher bei Marseille), Stéphane Mbia (heute Hebei China Fortune, früher bei Sevilla, Marseille und Rennes – spielte mit Rennes gegen den FCB), Jean II Makoun (heute Antalyaspor, früher bei Lille, Lyon und Olympiakos Piräus) und Modeste Mbami (heute Millonarios FC (Kolumbien), früher bei Paris St-Germain und Marseille) gross geworden. Die Kadji Sports Academy ist das Werk des Bierbrauers Gilbert Kadji, welcher sich dank dem lukrativen Geschäft mit dem Gerstensaft in seiner Heimat ein Vermögen erarbeitet hatte.

 

Als Profi in Europa

 

1997 schaffte der talentierte und ambitionierte Stürmer den Sprung aufs europäische Festland. Frankreich war seine erste Station. Hervé Tum begann bei Pacy-sur-Eure, einem kleinen Club aus der National, der dritthöchsten französischen Spielklasse. Da er damals nur über ein Touristenvisum verfügte, konnte er bei dieser Equipe allerdings keine Meisterschaftsspiele bestreiten. Als dann der FC Sion anklopfte, wechselte Tum blitzartig ins Wallis. Hier absolvierte er zwischen 1998 und 2000 immerhin 30 Spiele. Damals verdiente er monatlich rund 4000 Franken. Er arbeitete immer mit grossem Ehrgeiz und hoher Motivation. Einer seiner Kernsätze lautet: „Es gibt in einem Team keine Spieler, die besser sind als andere. Am Ende entscheidet immer das Kollektiv über Erfolg oder Misserfolg.“

 

Doch dann kam der Dezember 2000. Zu diesem Zeitpunkt kam seine Karriere richtig ins Rollen. Der FC Basel, dessen Stürmer George Koumantarakis sich schwer verletzt hatte, unterbreitete Hervé Tum ein sehr gutes Angebot. Tum sagte sofort zu. Gemäss Basler Zeitung flossen damals 1,2 Millionen Franken in die Kassen Kadjis, welcher in dieser Epoche auch als Besitzer des FC Sion fungierte. Für den stämmigen, 1.84 Meter grossen Power Forward Hervé Tum war mit dem Wechsel in die aufstrebende Basler Mannschaft ein Traum in Erfüllung gegangen.

 

Wunderbare Tore, grosse Spiele

 

Wenn Hervé Tum an Basel denkt, dann kommen ihm vor allem die schönen Gebäude in der Altstadt in den Sinn, das Münster, das Rathaus und das Spalentor: „In Basel genoss ich die Sauberkeit auf den Strassen. Der Lebensstil gefiel mir sehr.“ Und immer wieder spricht der grossgewachsene Fussballer von der „Tranquillité“, von der Ruhe, die die alte Stadt Basel auf ihn ausstrahlte. Sportlich gefiels ihm bei den Rotblauen ebenfalls ausgezeichnet: „Wir hatten viel Erfolg mit dem FCB – ich holte vier Titel, und dann kamen auch die Compétitions européennes dazu, all die europäischen Wettbewerbe. Ich durfte mit tollen Kollegen zusammenspielen. Wir waren einfach bereit. Christian Gross war ein fantastischer Motivator.“

 

Im Europacup wurde Hervé Tum beim legendären 3:3 im Joggeli gegen Liverpool in der zweiten Halbzeit für Julio Hernan Rossi eingewechselt. Auch beim 2:2 gegen Valencia und beim 2:0-Auswärtssieg gegen Spartak Moskau stand er auf dem Feld – ebenso bei den beiden goldenen 1:1 in Liverpool (Anfield Road) und Manchester (Old Trafford) und bei zwei weiteren Heimspielen im Joggeli. 2:0 triumphierte man gegen Spartak Moskau, und 2:1 gegen das grosse Juventus Turin.

 

Wichtige Tore

 

Besonders gerne erinnert sich der beidfüssig torgefährliche Angreifer an seinen Treffer zum 1:0 im Cupfinal gegen die Zürcher Grasshoppers. 33'433 Zuschauer säumten damals das weite Rund im ausverkauften Joggeli. Hervé brach in der fünften Minute nach einem zentimetergenauen Pass von Hakan Yakin mit Siebenmeilenstiefeln im Alleingang durch die gegnerische Defensive. Er kontrollierte das runde Leder in unnachahmlicher Art mit dem Kopf und galoppierte Sekundenbruchteile später mit dem Ball am Fuss auf GC-Goalie Fabrice Borer zu. Im Strafraum fackelte er nicht lange. Rumms-tschakk, und der Ball zappelte im Netz. Der Rest war Jubeln.

 

Es war der wichtige Führungstreffer in diesem auf Biegen und Brechen geführten Endspiel, welches zum Schluss vom FCB mit 2:1 nach Verlängerung gewonnen wurde. Wenn Tum damals nicht getroffen hätte, hätte dieser kapitale Match mit Sicherheit ein anderes Gesicht bekommen. Ebenfalls Gold wert war Hervé Tums Einsatz vor 11'600 Fans auf dem Berner Neufeld, als sich der FCB den ersten Meistertitel nach einer 22-jährigen Durststrecke sicherte. Ihm gelangen in dieser hoch emotionalen Partie zwei schlicht und einfach sensationelle Treffer. Nehmen wir allein schon das erste Goal auf Scherenschlag-Flanke von Scott Chipperfield – wie Hervé da die Lederkugel am letzten YB-Verteidiger vorbeispedierte, das war höchst bemerkenswert. Aber dann folgte der berühmte Tum-Hammer. „Was ist denn das für ein Doppelschlag – der Ball wie ein Strich ins Kreuz“, jubelte der Kommentator im Schweizer Fernsehen nach dem zweiten Treffer des Kameruners, der einem veritablen Geniestreich glich. Hervé Tum schlug unbarmherzig zu. Die Schussabgabe erfolgte notabene von weit ausserhalb des gegnerischen Strafraums, aus gut und gerne 28 Metern. Die Rotblauen besiegten die Gelbschwarzen nach einem weiteren Treffer von Koumantarakis klar mit 3:0 und durften sich verdientermassen als Schweizer Meister feiern lassen. In dieser Zeit lancierte Michael Martin in der Basler Zeitung ein Tum-Interview mit folgendem eindrücklichen Titel: „Hervé Tum ist der Mann für alle Fälle.“ Übrigens war es auch Tum, der das erste Tor für den FCB im neuen St. Jakob-Park geschossen hat und zwar beim 4:1-Sieg gegen den FC Lugano am Sonntag, 18. März 2001. Er erzielte damals den Ausgleich, nachdem Christian Giménez die Gäste in Führung gebracht hatte.

 

Türkei – und die Liebe zum Fussball

 

Nach Abstechern in die oberste französische Liga zu den Messins und Strasbourgeois (FC Metz und Racing Strasbourg) zog es Hervé Tum in die sonnige Türkei. Insgesamt sechs Jahre ging er für die verschiedensten türkischen Clubs auf Torjagd. Bei Genclerbirligi Ankara war er mit seinen 15 Treffern sogar bester Skorer seines Teams und wurde in nationalen und internationalen Torschützenklassementen aufgeführt (siehe Palmarès unten).

 

„Man hat mich sehr gut empfangen in der Türkei. Ich durfte feststellen, dass die Türken ein Volk sind, welches den Fussball enorm liebt“, resümiert Tum. „Aber es gab auch schwierige Dinge zu bewältigen, zum Beispiel die Sprachprobleme. Türkisch ist keine einfache Sprache. Zum Glück wurde mir ein Übersetzer gestellt. Spannend war, dass ich mich in der Türkei mit neuen taktischen Systemen befassen durfte und dass ich mit meinem Einsatz und meiner Erfahrung den jungen Spielern ein Beispiel geben konnte.“ Zum Schluss spielte Tum dann bei Göztepe Izmir. Doch nach einer Knieverletzung musste er seine Fussballkarriere beenden.

 

Privatmann in Douala

 

Heute lebt Hervé Tum mit seiner Frau und vier Kindern in der Millionenstadt Douala in Kamerun. Sein Sohn Harry ist zwölf Jahre alt und bereits ein talentierter Fussballer. Er spielt in einer regionalen Equipe. Hervé Tum kümmert sich als Privatmann um seine Familie und nimmt es nach all den mit vielen Reisen und entsprechendem Stress verbundenen Fussball-Jahren jetzt gerne etwas gemütlicher. Die politische und wirtschaftliche Situation in Kamerun verfolgt er mit wachem Interesse. „Wir haben immer wieder Konflikte an der Grenze zu Nigeria, ich hoffe, dass das eines Tages einmal besser wird“, sinniert er.

 

Was er in Zukunft beruflich unternehmen wird, weiss er noch nicht. Gut möglich, dass er dereinst einmal Nachwuchsfussballer trainieren oder im TV als Co-Kommentator auftreten wird. Grosse Freude hatte Hervé Tum kürzlich am Sieg seiner Nationalmannschaft beim prestigeträchtigen Afrika-Cup. Die „Lions indomptables“ (deutsch: „Die unbezähmbaren Löwen“) schlugen in einem denkwürdigen Final Ägypten mit 2:1, dank Toren von Nicolas N’Koulou und Vincent Aboubakar. „Die Equipe von Kamerun hat uns begeistert (Originalton Tum: ‹Elle nous a fait vibrer›). Man hatte dies im Vorfeld nicht erwartet“, kommentiert der ehemalige FCBler. „Sie hat wirklich gezeigt, was mit vereinten Kräften alles möglich ist. Wir sind sehr zufrieden mit ihr.“ Für die Zukunft sagt Hervé Tum seinen Kamerunern viel Gutes voraus. „Wenn sie die gleiche Geisteshaltung (‹le même Etat d’esprit›) an den Tag legen, werden sie auch an der Weltmeisterschaft ein Wörtchen mitreden können.“ Eins ist Hervé Tum am Schluss des Interviews noch wichtig: „Richte bitte viele Grüsse an alle Basler aus.“ Oder um es im herzlichen Originalton Tums zu formulieren: „Salutations à tous les Bâlois“.

 

Steckbrief:

 

Name: Tum

 

Vorname: Hervé

 

Geburtstag: 15. Februar 1979

 

Position: Stürmer

 

Vereine:

 

Cercle Sportif d’Eséka Kamerun 1995-1996

 

KSA Kadji Sport Academy Douala Kamerun 1996/97

 

Pacy-sur-Eure (ohne Einsatz) 1997/98

 

FC Sion 1998/99-1999/2000

 

FC Basel 2000/01-2003/04 (90 Spiele, 23 Tore)

 

FC Metz 2004/05

 

Racing Strasbourg 2006/07

 

Bursaspor 2007/08

 

Racing Strasbourg 2007/08

 

Sivasspor 2008/09

 

Istanbul BB 2009/10-2010/11

 

Genclerbirligi Ankara 2011/12

 

Elazigspor 2012/13

 

Göztepe Izmir 2013/14

 

Erfolge: Schweizer Meister 2002 und 2004 mit dem FC Basel, Cupsieger 2002 und 2003. Vizemeister mit Sivasspor 2008/09. Pokalfinalist mit Istanbul BB 2010/11. Zweitbester türkischer Torschützenkönig in der Süperlig und gleichzeitig drittbester afrikanischer Skorer im Podium Top 20 RFI in der Saison 2011/12 – berücksichtigt werden in diesem Klassement Spieler, die in den 12 stärksten internationalen Ligen unterwegs waren. Insgesamt 5 Einsätze in der Nationalmannschaft Kameruns.

 

(Fotos: Hans-Jürgen Siegert)

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