Sébastien Barberis – solid, schnörkellos und zuverlässig

Porträt
Mittwoch, 07.12.2022 // 17:10 Uhr

Beim FCB trug er die Nummer 12 und er gab in zahlreichen kapitalen Spielen der Ära Gross/Oeri seine Visitenkarte ab. Mehrfach stand er mit seinen Rouges et Bleus vor den vielzitierten Honigtöpfen des internationalen Fussballs. Das Scheinwerferlicht überliess Sébastien Barberis dabei gerne den anderen. Wer die harten Zweikämpfe jener Zeit live verfolgt hat, weiss, dass dieser elegante, unerbittliche Fussballer für den rotblauen Stadtclub unglaublich viel geleistet hat. Der gebürtige Walliser, der in zahlreichen nationalen und internationalen Quervergleichen für Basel Ehre eingelegt hat, ist heute Bankier. Er wirkt in leitender Funktion bei der Banque Cantonale Vaudoise.

Geboren und aufgewachsen ist Sébastien Barberis in Sion, in der Nähe der trutzigen Burg Tourbillon aus der Zeit von Ende des 13. Jahrhunderts. Vater Umberto Barberis war in den 70er- und 80er-Jahren selber als Profifussballer unterwegs, bei Sion, Monaco und in der Schweizer Nationalmannschaft. Unter anderem wurde Barberis senior auch Champion de France. Sébastien selber spielte allerdings nie bei den Wallisern.

Früher lieber nicht auf der Bank; heute ist Sébastien Barberis in leitender Funktion bei der Banque Cantonale Vaudoise tätig.

Ihn zog es dafür zu Étoile Carouge und später via Malley und Lausanne-Sport zu Servette Genf. Später, als dann der FC Basel via Heinz Hermann anklopfte, sprach sich Séba mit seinem Vater ab, denn auf dessen fachmännisches Urteil konnte er sich gut verlassen. Er sollte seinen Wechsel ans Rheinknie in keiner Sekunde bereuen.

Zuverlässigkeit und Mut

Sébastian Barberis, der in Basel einen Lohn im tiefen fünfstelligen Bereich bezog, verkörperte die Zuverlässigkeit in Person. Wenn immer Not am Mann war, sprang dieser unermüdliche FCB-Eckturm mit dem welschen Charme mutig in die Lücke. Einmal hatte sich Philippe Cravero das Nasenbein gebrochen, ein anderes Mal fiel ein anderer Teamkollege verletzungsbedingt aus – und jedes Mal war Sébastien Barberis in der Lage, die entstandene Lücke zu füllen. Polyvalenz hat ihn eben schon immer ausgezeichnet.

Bei FCB trug Séba stets die Rückennummer 12.

Séba war kein Blender, kein Dribbler, kein Rammbock und kein Kopfballungeheuer, doch wenn es darum ging einem Tenor aus dem nationalen oder internationalen Fussballgeschäft mit unablässigem Einsatz und stupendem Antizipationsvermögen den Schneid abzukaufen, dann stand er immer ganz zuvorderst. Gegge Heitz, zuerst als Journalist tätig und später dann als Sportchef eine prägende Figur der FCB-Glanzzeiten, wusste es absolut treffend zu formulieren: «Ein Allrounder, den keiner auf der Rechnung hat», titelte er damals in der Basler Zeitung. Doch erzählen wir immer schön der Reihe nach.

Meisterschaft, Cup, Europacup

In Basel lernte Sébastien dann kennen, was es heisst, bei Rotblau Fussball zu spielen. Die Ambitionen der Bebbi waren hoch, mindestens so hoch wie heute. Meisterschaft, Cup, Europacup, überall wollte man mitmischen. Erfolgreich mitmischen notabene. Viele Ziele konnten dank dem vorhandenen Selbstbewusstsein mit Bravour erreicht werden. Basel war fussballerisch ausgedrückt das Mass aller Dinge. Zürich, GC, YB, Servette – sie alle hatten das Nachsehen.

Power, Teamgeist und Einsatzfreunde sind Stichworte, die diesen stets bescheidenen Sportsmann auszeichnen.

Mit dem FCB errang der Mann mit der Rückennummer 12 in insgesamt acht Saisons drei Meistertitel (2002, 2004 und 2005) sowie zwei Cupsiege (2002, 2003). Für die Rotblauen traf er insgesamt 15 Mal ins gegnerische Netz, wobei ihm im Lauf der Zeit auch der eine oder andere absolut sehenswerte Treffer gelang.

2000/2001 durfte der FC Basel im Europacup gegen den SK Brann Bergen aus Norwegen antreten. Es war dies notabene das erste Aufeinandertreffen mit diesem Club aus dem hohen Norden. Massimo Ceccaroni, der etatmässige Rechtsverteidiger, fiel bei diesem Match verletzungshalber aus. Christian Gross’ Wahl fiel dann auf Sébastien Barberis. Der agile Allrounder, der vom Baslerstab vollmundig als «schnörkelloser Leisetreter» apostrophiert wurde, sprang in die Lücke – und siehe da, die interne Lösung entpuppte sich als voller Erfolg. Der Match selber wirkte eher wie Lehrstück für Hurra-Fussball. Telebasel wollte die Partie live übertragen, die Basler Anhänger kamen aber erst ab der zweiten Halbzeit in den Genuss von bewegten Bildern. Die internationale Linie war unterbrochen. 4’146 Zuschauer erlebten damals direkt vor Ort mit, dass der FCB 4:4 unentschieden spielte und nach dem 3:2 im Hinspiel für die darauffolgende Runde gegen Feyenoord Rotterdam qualifiziert war.

«Habe mich in Basel verliebt»

In der Folge avancierte der ballsichere Akteur zum Stammspieler. Als Rechtsverteidiger, als Lateral droit, wie man das im Welschland zu nennen pflegt. «Ich habe ein bisschen den Platz von Ceccaroni übernommen», formuliert er in seiner betont vorsichtigen, zurückhaltenden Art. «Man hatte damals viel Freiheiten im Spiel nach vorne.» Von 1997 bis 2005 wirkte der hagere Mann bei den Baslern. «Ich habe eine Stadt entdeckt und ich habe mich völlig in sie verliebt. Basel verfügt über diesen weltoffenen Geist, und es ist eine Stadt mit grosser kultureller Anziehungskraft, die für den Fussball lebt. Man kann das auf französisch mit dem Wort Passion umschreiben. Ich hatte die Chance überall dabei zu sein. Im alten St. Jakob, auf der Schützenmatte und im St. Jakob-Park.»

Hamburger SV, Feyenoord Rotterdam, Aston Villa, Celtic Glasgow, Liverpool, Juventus Turin, Manchester United – Barberis hat gegen viele der Grossen gespielt.

Noch ein Wort zur Schützenmatte. Dort spielte Barberis in der Zeit, als das neue Joggeli erbaut wurde, unter anderem gegen Boby Brünn und gegen den Hamburger Sportverein im UI-Cup. Gegen die Tschechen resultierte ein torloses Unentschieden, im Quervergleich gegen Hamburg zogen die Basler leider aufgrund der damals noch geltenden Auswärtstorregel um Haaresbreite den Kürzeren.

Highlights: Neufeld und Joggeli

Welches Erlebnis war denn in all den Jahren das grösste für ihn? «Toll war in der ganzen Zeit die stetige Vorwärtsentwicklung des Clubs. Wenn wir von Highlights sprechen, dann kommen mir derart viele Dinge in den Sinn, dass ich Zeit brauche, um alles richtig zu ordnen. Eins der schönsten Souvenirs war für mich der Match gegen die Young Boys auf dem Berner Neufeld. Ausverkaufte Hütte. Und wir mussten gewinnen, um vorzeitig Meister zu werden. Hervé Tum schoss zwei Traumtore. Die Fans stürmten friedlich auf den Rasen. Das war fantastisch. Ebenso wunderbar war dann der Cupfinal im Joggeli gegen Neuchâtel Xamax. Wir gewannen 6:0 – mir gelang an diesem Tag ein Tor.»

Barberis gehörte zu den wichtigen Teamstützen in der Ära Christian Gross.

Gewaltiges kann Sebastien Barberis auch von den Spielen gegen Celtic Glasgow berichten. «Auswärts verloren wir 1:3, das Heimspiel in denkwürdiger Atmosphäre gewannen wir dann 2:0. Ich sehe heute noch Goalie Zuberbühler vor mir. Es ist kurz vor Schluss, der Celtic-Spieler Chris Sutton schiesst mit Brachialgewalt ein letztes Mal verzweifelt in Richtung Basler Kasten. Zubi schaut und schaut und schaut dem Richtung Gellertkurve irrlichternden Ball hinterher – und schliesslich geht das runde Leder etwa zwei Zentimeter neben dem entfernteren Pfosten vorbei. Das sind Momente für die Ewigkeit.» Dass es wahrhaftig ein grosser Moment war, ist durch Christian Gross’ Freudentanz an der Seitenlinie und durch des Star-Reporters Bernard Thurnheers legendären Kommentar nach Spielschluss belegt: «Hallo Champions League, ich bin es, ich bin der Neue, ich bin der FC Basel.»


Sternen-Liga – eins, zwei, drei…

Wer im Kreis der Grossen mittun kann, will dort nach Möglichkeit auch gerne brillieren. Dies trifft in der Schweiz am meisten für den FC Basel zu, denn die Basler verfügen auf internationalem Parkett nachgewiesenermassen über die beste Bilanz von allen Schweizer Vereinen – mit unzähligen Grosstaten von AS Roma über Valencia, von Bayern München bis Tottenham Hotspur, von Manchester United bis Eintracht Frankfurt. Unvergesslich bleibt in diesem Zusammenhang der Match gegen den ruhmreichen FC Liverpool. An diesem Herbstabend lagen die Basler vor ausverkauftem Haus (man hätte gut und gerne 50’000 Billette verkaufen können) nach einer furiosen ersten Halbzeit mit 3:0 vorne.
 

Zu seinem Abschied wurde Sébastien Barberis von Reto Zanni und Pascal Zuberbühler vom Feld getragen und von sämtlichen Feldspielern begleitet.

In diesen Minuten gelang den Bebbi angeführt von den Yakin-Brothers und den versammelten Argentiniern schlicht alles. Dass man in der Sternen-Liga nach der Kür auch in der Pflicht einiges leisten muss, bekamen die Basler dann im Verlauf der zweiten Halbzeit zu spüren. Um jeden Zentimeter Boden wurde erbittert gefightet. Barberis mittendrin. Nach 90 Minuten plus Extratime schaute gegen die Männer von der Anfield Road ein legendäres 3:3 heraus. Zum Schluss lagen die Rotblauen in der Tabelle vor den Reds und waren für die nächstfolgende Gruppenphase (Zwischenrunde) qualifiziert. Der FCB hatte Geschichte geschrieben.

Tränenreicher Abschied

Nach all den Jahren mit kontinuierlichen Erfolgen entschloss sich Sebastien Barberis im Mai 2005 aus eigenem Willen zum Rücktritt. Dass er in den UEFA-Cup-Partien gegen Lille (Gesamtskore 0:2 gegen den FCB) nicht mehr zum Einsatz kam, bestärkte ihn in seinem Entscheid. Doch seine Teamkameraden hatten vorgesorgt. Als der stets bescheiden auftretende Sportsmann in der 43. Minute des Heimspiels gegen Neuchâtel Xamax ausgewechselt wurde, wurde er von Reto Zanni und Pascal Zuberbühler auf die Schultern gehoben und durch eine Eskorte bestehend aus sämtlichen rotblauen Spielern vom Feld begleitet. «Das ist der emotionalste Moment in meiner Karriere», erklärte er hinterher beim Interviewtermin mit tränenerstickter Stimme. «Ich hätte nie gedacht, dass mich dieser Moment so berühren würde».


Steckbrief

Name: Barberis
Vorname: Sébastien
Geburtsdatum: 31. Mai 1972
Nationalität: Schweizer
Position: Rechter Mittelfeldspieler, rechter Verteidiger

Vereine:

ES Malley: 1990-1992
Lausanne-Sports: 1992-1993
Servette FC: 1993-1997
FC Basel 1893: 1997-2005
FC Bulle: 2005-2007

282 Spiele, 18 Tore für den FCB

Erfolge:

Viermal Schweizer Meister, dreimal mit dem FCB (2002, 2004, 2005) und einmal mit dem Servette FC (1994).
Zweimal Cupsieger mit dem FCB (2002, 2003).
​​​​​​​14 Spiele in der UEFA Champions League mit dem FCB 2002/2003. Zahlreiche Partien in anderen europäischen Clubwettbewerben.

Sébastien Barberis' Leistungsdaten beim FCB: Hier klicken​


Bisher porträtierte Spieler

Pascal Zuberbühler (28. August 2014), Roland Paolucci (3. Oktober 2014), Christian Giménez (29. Dezember 2014), Martin Andermatt (12. Februar 2015), Nestor Subiat (18. März 2015), Erni Maissen (6. Mai 2015), Eigil Nielsen (16. Juli 2015), Maximilian Heidenreich (4. September 2015), André Sitek (13. November 2015), Papa Malick Ba (13. Januar 2016), Bruno Sutter (26. April 2016), Argemiro Veiga (24. Juni 2016), Carlo Porlezza (6. September 2016), Markus Tanner (10. November 2016) und Martin Jeitziner (14. Februar 2017), Attila Sahin (17.April 2017), Hervé Tum (21. Juni 2017), Arthur von Wartburg (7. September 2017), Scott Chipperfield (15. November 2017), Reto Baumgartner (11. Februar 2018), Walter Mundschin ( 29. März 2018), Thomas Hauser (3. Juni 2018), Stefan Huber (8. August 2018), Adrian Knup (13. Oktober 2018), Alex Nyarko (28. Dezember 2018), Helmut Hauser (28. März 2019), Peter Bernauer (9. Juni 2019),  Marco Zwyssig (21. August 2019) Lars Olsen (15. Oktober 2019), Ottmar Hitzfeld (16. November 2019), Thimotée Atouba (30. Januar 2020), Franco Costanzo (22. April 2020), Jörg Stohler (16. Juli 2020), Kurt Stettler (9. Oktober 2020), Mike Speidel (29. Dezember 2020), Örjan Berg (15. April 2021), Hakan Yakin (4. Juni 2021), Jean Müller (7. September), Mile Sterjovski (19. November 2021), Behrang Safari (20. Dezember 2021), Peter Marti (16. April 2022), Walter Geisser (6. Juni 2022), Beat Sutter (1. August 2022) und René Hasler (27. September 2022).

Text: Lukas Müller

Fotos: Sacha Grossenbacher und Manuel Geisser

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