Serge Gaisser: «Ich habe den FCB und den FCM tief drinnen im Herzen»
Porträt
Dienstag, 19.11.2024 // 15:30
Uhr
Der in Muespach geborene und in Altkirch respektive in Muespach aufgewachsene Serge Gaisser ist mit dem Fussball fest verbunden. Als 16-jähriger debütierte er im Fanionteam der Ludoviciens. Via RC Besançon landete er durch Vermittlung von Talentspäher Maurice Hincker beim FC Basel 1893 und beim FC Mulhouse. Hier ist seine Geschichte.
«Was muss ein guter Mittelfeldspieler an Qualitäten mitbringen, was muss er können, was kann er trainieren?» Serge Gaisser überlegt. «Für mich ist der Top-Mittelfeldspieler modernen Zuschnitts derjenige, der das Spiel gut lesen und lenken kann», bekennt er schliesslich. «Grosses Antizipierungsvermögen, starkes Ballgefühl, ein kerniger Schuss aus 16 Metern oder auch aus 20 Metern sowie traumwandlerisches Positionsspiel gepaart mit viel Disziplin und eisernem Durchhaltewillen sind ebenfalls wichtig. Das war schon bei uns so und es gilt auch heute noch.»
Anfänge in der Grenzstadt
Basler kennen St-Louis vielleicht vor allem vom Tram her, welches seit einigen Jahren dorthin verkehrt. Serge Gaisser jedoch kennt in der Elsässer Grenzstadt jeden Platz, jede Strasse, jeden Winkel. Und natürlich ist ihm das Stade de la Frontière ein Begriff. Ein Kraftort, allwo die lokalen Fussballer, die Ludoviciens, um Punkte im einheimischen Championnat und um die zuweilen sehr hoch hängenden Lorbeeren in der Coupe de France kämpfen.
Als unerbittlicher, ballsicherer Mittelfeldspieler arbeitete Serge Gaisser auch sehr gerne nach hinten.
Hier in St-Louis hat für Serge Gaisser alles begonnen. Der gebürtige Muespacher durchlief sämtliche Juniorenstufen. Als 16-jähriger durfte er erstmals mit den Grossen kicken. Es war ein Match gegen Nancy II, welches zu der Zeit von den Co-Trainern Aldo Platini und Antoine Redin betreut wurde. «Nach dem Match wollten mich die Nancéens sofort für den Erstdivisionär AS Nancy-Lorraine verpflichten. Doch der damalige Präsident von St-Louis wusste dies mit Methoden an der Grenze der Legalität zu vereiteln.» Item. Serge Gaisser blieb dann halt noch ein weiteres Jahr.
Besançon als Karriere-Start
Einige Monate später wechselte er auf Vermittlung von Spitzen-Schiedsrichter Michael Vautrot aber zum renommierten Zweitdivisionär Racing Club Besançon. Im damals noch mit einer wunderschönen Radrennbahn ausstaffierten Stade Léo-Lagrange durfte der junge Elsässer sechs Spiele mit den Profis absolvieren. Allein der strapaziöse Service Militaire hinderte ihn an weiteren Aufgeboten. Um ein Haar wären die Bisontins in die höchste Liga aufgestiegen, gegen die Angevins vom Sporting Club de l’Ouest Angers fehlte wirklich wenig.
Fussballerisch inspiriert, vielseitig interessiert: Serge Gaisser, hier neben der Basler Berühmtheit Rudolf Riggenbach («Dinge-Dinge»).
Zurück bei St-Louis schloss der von Grossclubs wie Metz, Monaco, Strasbourg und Sochaux umworbene Serge Gaisser auf harte Art und Weise mit den Widerwärtigkeiten des Fussballerlebens Bekanntschaft. In einem Match gegen Merlebach wurde er von zwei Gegnern bös in die Zange genommen. Er erlitt eine Knieverstauchung und musste fast vier Monate lang pausieren. Schliesslich traf er auf den Talentspäher Maurice Hincker. Dieser sagte mir: «Wir haben eine Opportunität für Dich. Du darfst einen ganzen Monat trainieren – in Basel, mit dem FC Bâle.» «Z Bosel? Mit de Rouges et Bleus vum FCB?» Serge Gaisser konnte sein Glück kaum fassen, und fragte bei seinem Mentor sofort nach. Sein grosse Frage lautete: «Geemer gly? Am liebschte grad hitt no.»
FCB – einmal Basel, immer Basel
All dies geschah im Sommer 1979. Serge Gaisser trainierte also mit dem Fanionteam auf dem Landhof – Trainer Helmut Benthaus und Präsident René Theler regelten das Administrative. Folgerichtig schloss der Mann aus St-Louis mit all den rotblauen Tenören Bekanntschaft – Küng, Müller, Hasler, Tanner, von Wartburg, Stohler, Marti und wie sie alle heissen. In den Testspielen lief es dem Jungspund glänzend. Gegen den VfL Bochum buchte er per Distanzschuss aus 20 Metern einen herrlichen Treffer, gegen den SV Weil und den FC St-Louis trug er sich ebenfalls in die Liste der Torschützen ein.
In seiner elsässischen Heimat spielte und jubelte Gaisser für den FC St-Louis und für die beiden Zweitdivisionäre Racing Besançon und FC Mulhouse.
«Ich spielte mich durch und traf prompt. Aber Detlev Lauscher, der mir den Pass gegeben hatte, tobte wie ein Rumpelstilzchen. ‹Du Waggis, wenn ich Dir den Ball spiele, dann erwarte ich ihn auch wieder zurück›, schnaubte er.» Später teilten die beiden in Trainingslagern das Zimmer. Der Teamgeist beim FCB war legendär in jenen Zeiten. Früh war allen klar: Es braucht eine Achse mit jeweils einem Schlüsselspieler in jeder Linie. Mit gutem Zusammenhalt ist Grosses möglich.
Meisterschaft und Europacup
Denkwürdige Abende erlebte der FCB mit dem glänzend disponierten Serge Gaisser in der Schweizer Meisterschaft. 4:2 siegte man in der Finalissima auf dem alten Zürcher Letzigrund und sicherte sich im allerletzten Moment den Pokal. Dass damals nach der Meisterfeier auf dem Balkon des Mövenpick auf dem Marktplatz die ganze Nacht durchgefeiert wurde, liegt auf der Hand. An diesen Titelgewinn reihten die Basler auch wunderbare Spiele im Europacup.
Ein Schnappschuss aus Basels Altstadtgassen – für Gaisser bedeutet Basel ein Stück zweite Heimat.
Zuerst überrollten sie den mit Nationalspielern gespickten belgischen Meister Brügge mit dem Gesamtskore von 5:1 (FCB-Siege in Brügge 1:0 und in Basel 4:1 – Serge Gaisser schoss im Heimspiel ein Tor). Anschliessend bekamen sie es mit der ebenfalls hervorragend besetzten Mannschaft von Roter Stern Belgrad zu tun. Nach dem 1:0-Heimsieg durch ein fantastisches Freistosstor von Lauscher rechneten sich die Bebbi einige Chancen aus, doch im Rückspiel verloren sie mit viel Pech 0:2. Nur wenig fehlte, und man hätte den Hauptstadtclub aus Belgrad schlagen können.
Serge Gaisser (sitzend zweiter von links) mit dem FC Mulhouse, Mitte der Achtzigerjahre. Damals strömten die FCM-Fans in hellen Scharen ins Stade de l’Ill.
Im Klassement der torgefährlichsten Franzosen beim FC Basel belegt Serge Gaisser übrigens heute noch den zweiten Platz, hinter Sion-Trainer Didier Tholot. Zudem wurden die FCB-ler mit Serge Gaisser mit dem Resultat von 2:2 (5:3 Penalties) Alpencupsieger gegen den FC Sochaux-Montbéliard. Gaisser erzielte im Final im Basler Joggeli das 1:0. Die Alpencup-Kampagne war in dem Jahr überaus erfolgreich, mit Siegen gegen Bordeaux (mit Gemmrich, Tigana & Co.) und Bastia (mit Papi, Orlanducci, Milla & Co.).
Alles in allem äussert sich Serge Gaisser sehr positiv über seine Zeit im rotblauen Trikot. «Wenn dr Helmut Benthaus gsait hett, es isch ebbis bleü, denn isch es bleü gsii, und nitt rot, hällgrien oder dunggelgääl», grinst er und denkt gerne an den Maestro aller Basler Trainer zurück. «Mr hänn ämmel viil gleert bi ihm, un i bi froh as i bi ihm ha derfe trainiere.»
Grosse Zeiten beim FC Mulhouse
Nach seiner Basler Zeit setzte der mit seiner Frau Fabienne in Michelbach-le-Bas wohnende Serge Gaisser seine Karriere beim FC Mulhouse fort. Zwischen 1983 und 1986 erlebte er wunderbare Zeiten in der Deuxième Division. Keine Geringeren als Didier Six, Kees Kist, Jean-Noël Huck, Salah Assad und der leider verstorbene Serge Duvernois (auch er ein FCB-Kicker) waren seine prominenten Mannschaftskollegen, das Publikum strömte in hellen Scharen ins Stade de l’Ill. Serge Gaissers Schwager Thierry Fernier fungierte in dieser Epoche als Spieler von Sochaux, Matra Racing Paris, Nantes und Bordeaux. Dreimal wähnte sich Mulhouse ganz nahe am Aufstieg in die Première Division, aber gegen Rouen, Le Havre und Racing Paris war dann letzten Endes kein Kraut gewachsen.
Zweikampf zwischen Serge Gaisser und Lausannes Yves Mauron.
Heute agiert das einst stolze Team aus Mulhouse in der Regional 1. Zwischen der Ligue 1 und der Regional 1 liegen Welten. Sechs Spielklassen trennen die fast mittellosen aber tapferen Mulhousiens von den mit TV-Geldern und Europacupzuschüssen reichlich alimentierten französischen Spitzenclubs. Abschlussfrage: Hat Serge Gaisser bezüglich früheren Zeiten Dinge, die er heute bedauert? «Nein. Im Prinzip ist es so okay, wie es ist.» Serge Gaisser wirkt glücklich. «Für die Zukunft habe ich zwei Hoffnungen: Es würde mich freuen, wenn der FC Mulhouse bald wieder bessere Zeiten erlebt und als einziges Team aus dem Haut-Rhin mittelfristig in die National, die dritthöchste Spielklasse, aufsteigen kann», sagt er. «Toll wäre es auch, wenn der FC Basel eines Tages wieder europäisch spielen könnte und dann wieder auf Racing Strassburg treffen würde.»
Name: Gaisser
Vorname: Serge
Geburtsdatum: 5. Januar 1958
Nationalität: Franzose
Position: Mittelfeld
Beruf: Bau und Verkehrsdepartement Basel-Stadt, Buchhaltung, Finanzen und Controlling
Vereine:
FC St-Louis: 1966-1976
Racing Club Besançon: 1977-1978
FC St-Louis: 1978-1979
FC Basel: 1979-1983
FC Mulhouse: 1984-1986
FC Concordia Basel: 1986-1987
Später Spielertrainer beim FC Sierentz, beim FC Muespach und der AS Blotzheim
90 Spiele, 14 Tore für den FCB
Erfolge:
Schweizer Meister mit dem FCB 1980
Cupfinalist mit dem FCB 1982
Alpencupsieger mit dem FCB 1981
Philipscupsieger mit dem FCB 1979
Uhrencupsieger mit dem FCB 1979 und 1980
Mit dem FC Mulhouse dreimal auf Platz 2 der Deuxième Division
Coupe de France: Paris Saint Germain und Girondins de Bordeaux geschlagen, im Viertelfinal gegen den FC Nantes ausgeschieden
Mit dem Racing Club Besançon einmal auf Platz 2 der Deuxième Division
Serge Gaisser Leistungsdaten beim FCB: Hier klicken
Bisher porträtierte Spieler
Pascal Zuberbühler (28. August 2014), Roland Paolucci (3. Oktober 2014), Christian Giménez (29. Dezember 2014), Martin Andermatt (12. Februar 2015), Nestor Subiat (18. März 2015), Erni Maissen (6. Mai 2015), Eigil Nielsen (16. Juli 2015), Maximilian Heidenreich (4. September 2015), André Sitek (13. November 2015), Papa Malick Ba (13. Januar 2016), Bruno Sutter (26. April 2016), Argemiro Veiga (24. Juni 2016), Carlo Porlezza (6. September 2016), Markus Tanner (10. November 2016) und Martin Jeitziner (14. Februar 2017), Attila Sahin (17.April 2017), Hervé Tum (21. Juni 2017), Arthur von Wartburg (7. September 2017), Scott Chipperfield (15. November 2017), Reto Baumgartner (11. Februar 2018), Walter Mundschin ( 29. März 2018), Thomas Hauser (3. Juni 2018), Stefan Huber (8. August 2018), Adrian Knup (13. Oktober 2018), Alex Nyarko (28. Dezember 2018), Helmut Hauser (28. März 2019), Peter Bernauer (9. Juni 2019), Marco Zwyssig (21. August 2019) Lars Olsen (15. Oktober 2019), Ottmar Hitzfeld (16. November 2019), Thimotée Atouba (30. Januar 2020), Franco Costanzo (22. April 2020), Jörg Stohler (16. Juli 2020), Kurt Stettler (9. Oktober 2020), Mike Speidel (29. Dezember 2020), Örjan Berg (15. April 2021), Hakan Yakin (4. Juni 2021), Jean Müller (7. September), Mile Sterjovski (19. November 2021), Behrang Safari (20. Dezember 2021), Peter Marti (16. April 2022), Walter Geisser (6. Juni 2022), Beat Sutter (1. August 2022), René Hasler (27. September 2022), Sèbastien Barberis (7. Dezember 2022), Peter Nadig (31. Dezember 2022), Otto Demarmels (28. März 2023), Mario Frick (18. Juni 2023) Martin Mullis (20. September 2023) und Alfred Lüthi (22. November 2023), Matías Emilio Delgado (27.12.2023), Admir Smajic (26. März 2024), Marek Suchy (13.6.2024) und Jean-Pierre Maradan (11. September 2024).
Fotos: Manuel Geisser, ZvG